Surya Namaskar ist ein Begriff aus dem Sanskrit, wobei Surya für Sonne steht und Namaskar so viel wie Verbeugung bedeutet. Zusammen übersetzt ist Surya Namaskar also die Verbeugung vor der Sonne. Am besten bekannt ist Surya Namaskar im deutschsprachigen Raum als Sonnengruß. In vielen verschiedenen Varianten aus unterschiedlichen Yogatraditionen wird in dieser dynamischen Übungsreihe der Energie der Sonne, dem Sonnengott Surya, die Ehre erwiesen.
Als fließende Abfolge von Asanas, die in einem Kreislauf wieder und wieder wiederholt wird, fordert diese Praxis die Übenden nicht nur körperlich, auch mental kann der Sonnengruß an die eigenen Grenzen heranführen. So eignet sich Surya Namaskar, neben der Huldigung der Sonne, als schöne Praxis, sowohl um den Körper zu stärken, beweglich zu halten und mit Prana, Lebensenergie aufzuladen, als auch um den Geist in einen meditativen Zustand zu begleiten und den Verstand zur Ruhe zu bringen. Der Sonnengruß kann so eine Form des Gebets sein, bei dem der Fokus auf der Atmung und der Bewegung liegt und so der Geist beruhigt und die Konzentration verbessert wird.
108 Sonnengrüße
Die Idee den Sonnengruß 108-mal zu wiederholen kommt aus dem Ashtanga Yoga, einer dynamischen Stilrichtung, die sich in den 1920er Jahren entwickelt hat. Ursprünglich sollte die 108-malige Wiederholung als spirituelle Herausforderung für fortgeschrittene Yogis, die bereits 4 (von insgesamt 6) Serien des Ashtanga Yogas gemeistert haben, dienen.
Heute erfreut sich die Praxis der 108 Sonnengrüße einer allgemeinen Beliebtheit, wenn man das bei dieser körperlichen und mentalen Herausforderung so sagen kann 😉. Von Yogalehrer:innen wird die Praxis genutzt, um ihre körperliche Ausdauer und spirituelle Disziplin zu stärken. In der Gruppe praktiziert erzeugen die 108 Sonnengrüße neben der besonderen persönlichen Erfahrung auch ein starkes Gefühl von Verbundenheit und Gemeinschaft – die Dynamik und Energie der Gruppe trägt die Praktizierenden oft über ihre (meist nur mentalen) Grenzen hinaus.
Die 108 Sonnengrüße haben in verschiedenen Kulturen und Traditionen unterschiedliche Bedeutungen. In Indien dient die Praxis oft einer Verehrung des Sonnengottes Surya, in der buddhistischen Tradition wird die Übungsreihe 108-mal wiederholt, für die Anzahl an Verführungen und Hindernissen, die wir auf dem Weg zur Erleuchtung überwinden müssen.
Oft werden die Sonnengrüße zu besonderen Anlässen 108-mal geübt – zum Beispiel an spirituellen Festen oder zum Jahreszeitenwechsel.
Die Zahl 108 und ihre (spirituelle) Bedeutung
Nun stellt sich noch die Frage, warum wir die Sonne genau 108-mal grüßen. Die 108 gilt im Hinduismus, Buddhismus, aber auch in anderen asiatischen Religionen als heilige Zahl.
Eine Erklärung für die heilige Bedeutung der Zahl 108 ist, dass sie in vielen Bereichen der Natur, der Mathematik und des menschlichen Körpers vorkommt.
- Die Sonne ist 108 Sonnen-Durchmesser von der Erde entfernt
- Der Mond ist ebenfalls 108 Mond-Durchmesser von der Erde entfernt
- Der Durchmesser der Sonne ist 108-mal so groß wie der Durchschnitt der Erde
- Der Steinkreis von Stonehenge hat einen Durchmesser von 108 Fuß
- Die 108 ist eine Harshad-Zahl, eine natürliche Zahl, die durch die Quersumme ihrer Ziffern teilbar ist (dezimal). Harshad kommt aus dem Sanskrit und bedeutet: freudenbringend
- Die Quersumme der Zahl 108 beträgt 9, 108 ist durch 12 verschiedene Zahlen teilbar: 9 x 12 = 108. Auch die 9 ist eine heilige Zahl, die für die höchste Vollendung steht
- Der Kantenwinkel eines Pentagons (Fünfecks) ist 108
- Im Ayurveda gibt es 108 Marmas (Druckpunkte)
- Es soll insgesamt 108 Nadis (Energiekanäle) geben, die zum Herzchakra zusammenlaufen
Die 108 im Hinduismus und im Yoga
- Indische Götter haben jeweils 108 Namen, die während religiöser Zeremonien mit Hilfe der 108 Perlen der Mala (Gebetskette) rezitiert werden
- Es gibt 108 Upanishaden, eine Sammlung philosophischer Schriften, welche Bestandteil des Veda sind
- Das Sanskrit-Alphabet besteht aus 54 Silben, jede hat eine weibliche und eine männliche Seite, also 108
- Man sagt, dass 108 die Distanz zwischen unserem Körper und unserem inneren Gott, dem Bewusstsein, repräsentiert
- Und auch die Notrufnummer in Indien lautet 108 😉
Text: Carina Wögerbauer